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Dankbar oder Undankbar, das ist hier die Frage

Die schönste Art, als Blogbetreiber, ein Feedback zu erhalten oder eine Beteiligung zu erfahren ist sicherlich das offene Gespräch, ein persönlicher Kommentar, Lob oder eine konstruktive Kritik.
Bei genau solchen Gesprächen z. B. bei Treffen oder Stammtischen kristallisieren sich auch immer wieder andere Standpunkte oder Meinungen heraus, die für uns ein ewiger Quell der Erfahrungen sind. Nun haben z. B. die Scharfzähne ein völlig anderes Cacheverhalten als wir, Die Blümchen und auch diese Facette oder Art des Geocaching bietet für viele einen Anreiz das Hobby zu betreiben. Vielleicht oder sogar ganz bestimmt gibt es auch hier Schnittpunkte und Gemeinsamkeiten. Ich habe Herrn Scharfzahn einmal gebeten, sich über das Thema Cachequalität aus seiner Sicht Gedanken zu machen und etwas dazu zu schreiben und hier ist das Ergebnis, welches wir natürlich auch gerne veröffentlichen. Ich wünsche euch allen viel Spaß beim Lesen.


Sind die undankbarsten Caches die besten Caches?
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(ein augenzwinkernder Gastbeitrag von Herrn Scharfzahn)

Welche Art Caches machen eigentlich mehr Spaß, dankbare (A) oder undankbare (B)?

1. Was für Caches meine ich denn damit?
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Mit dankbar (A) meine ich Caches, die möglichst leicht zugänglich sind und durch teure Materialien und Spezialeffekte großes Kino liefern.
Mit undankar (B) meine ich enttäuschende Petlinge, die nur nach erheblicher Mühe und Anstrengung erreicht werden können.

Na, was glaubt ihr? Erinnert euch mal zurück, beispielsweise an den letzten Qualitäts-cache, mit Parkmöglichkeit direkt daneben, detaillierter Anleitung/Tippliste und Telefonjoker (A). Mir fällt da der super aufwändig gestaltete "DEXTER 4 - Final Insanity" von staubfinger0702 ein (es sei denn, ihr habt den Kalender als sehr zugangserschwerend wahrgenommen). Für alle, die Staubfinger nicht kennen: der Mann hat über 22 TAUSEND Favopunkte (!) und ist damit in der Top 10 Deutschands im Legen toller Geocaches. Besonders passend wäre das Beispiel, wenn ihr obendrein einen richtig guten Grund hattet, den Cache zu besuchen, beispielsweise eine Empfehlung von guten Freunden oder weil euer Partner unbedingt hin wollte.

Jetzt stellt dem mal einen Mystery/Multi gegenüber, der euch selbst sogar im Vorfeld viel Zeit und Mühe gekostet hat, zu dem ihr kilometerlang bei ätzendem Wetter bergauf laufen musstet, dann durch Dornen oder was weiß ich und wo ihr ewig gesucht habt, bevor ihr in einem 0-8-15-Petling loggen durftet (B). Euer Grund das zu tun, war am besten noch für Normalos schwer nachvollziehbar, vielleicht eine FTF-Chance, ein Haken in einer Matrix für eine Challenge oder schlichtweg, weil ihr damit einen Cachefund mehr hattet. Und zu Hause hat das auch kein Schwein interessiert, im Gegenteil: "Schatz, du könntest dich wirklich mal mehr mit uns beschäftigen! Und im Haushalt machst du auch nichts mehr!"

2. Kann doch gar nicht sein!
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Ihr ahnt schon, irgendwas deutet darauf hin, dass undankbare Caches (B) mehr Spaß machen könnten. Aber das kann doch gar nicht sein! Kein rational denkender Mensch wäre so bescheuert, B zu sagen! Und ihr selbst schon gar nicht! "Ich bin doch nicht blöd!" Außerdem: schaut mal in die ganzen Geocaching-Blogs, die Foren (z.B. Bessercacher) und ganz viele Logeinträge: Qualität, Qualität, Qualität!

Nein! Niemals!

Etwas gestört wird diese offensichtliche Standardmeinung, wenn man Intensivcacher fragt, wie sie so geocachen. Also die, denen es offensichtlich super viel Spaß macht. Die, die auf Events fröhlich diesen Spruch mit Multi-Milliarden-Dollar-Technologie für Tupperdosen im Wald nachtönen, während sie sich noch kleine Stöckchen aus den Haaren strubbeln. Klar, richtig toll war der FTF vorgestern oder der fiese Multi, wo einem der Owner (der drei Plätze weiter hämisch grinst) lauter Steine in den Weg gelegt hat oder der krasse Nacht-Kletter-Cache mit 20 Nieten und nur einer richtigen Dose.

Warum zum Henker machen die sowas? Wieso denken die so? Sind die denn völlig gestört?

Das ist gar nicht so schwer zu erklären. Denkt einfach an das letzte Mal zurück, als ihr einer Otto-Normal-Couch-Kartoffel von unserem Hobby erzählt habt. Wir kennen das: üblicherweise erstmal ein mitleidiger Gesichtsausdruck, in dem sich die gleichen Fragen wie eben widerspiegeln, dann eine höfliche Toleranzfloskel, direkt gefolgt von "Ja, noch viel Spaß dabei!" und einem hastigen Rückzug. Und wenn ihr mit pubertierenden Kindern gesegnet seid, kommt von denen anschließend noch ein melodramatisches Echo: "Digger, ihr seid so mega-peinlich!"

Also gut, wir sind ein wenig verrückt. Aber doch nicht so verrückt, B zu sagen!

3. Das Ding mit der kognitiven Dissonanz
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Sozialpsychologen haben im letzten Jahrhundert herausgefunden, dass wir alle versuchen, ein positives, stabiles Selbstbild aufrecht zu erhalten und insbesondere auch nach außen zu tragen. Im Vergleich zum Durchschnittsmenschen halten wir uns für klüger, gewissenhafter, für kompetenter im Straßenverkehr, wir meinen andere besser einschätzen zu können, als sie uns, und so weiter und so fort. Wenn wir damit konfrontiert werden, doch ziemlich meschugge oder asozial zu sein, erzeugt das großes Unwohlsein. Dieses Unwohlsein, Psychologen nennen es "kognitive Dissonanz", versuchen wir typischerweise auf zwei Arten abzubauen:

1. Wir ändern unser Verhalten: zum Beispiel machen wir besonders undankbare Caches nicht oder cachen insgesamt überhaupt viel weniger. Und einige Menschen handeln tatsächlich so vernünftig: Gelegenheitscacher ebenso wie Nichtraucher, sich gesund ernährende und Sport treibende Menschen, rücksichtsvolle Verkehrsteilnehmer, gewissenhafte Steuerzahler, und so weiter.
2. Wir ändern unsere Wahrnehmung: "Geocachen macht einfach viel mehr Spaß, als ich bisher so dachte! Logisch, dass ich dafür Strapazen auf mich nehme! Außerdem hat es noch jede Menge andere Vorteile." Die Vorteile kennt ihr bestimmt alle. ;) Oder: "Ach, das bisschen CO2, das ich in die Atmosphäre blase, ist doch nicht so wild." Oder: "Ach, Rauchen ist nicht so schlimm, es gibt viele Raucher, die ganz alt werden! Mein ständiger Husten und mein Elend kommen bestimmt woanders her!" Oder: "Nicht ich fahre bescheuert, das sind die anderen!"

Na, was denkt ihr jetzt? Immer noch A? Ihr habt gar nicht den Drang, ein tolles Selbstbild zu wahren, einen großen Hype um das Geocachen zu machen, Qualität zu predigen und vor allem Neulingen von euren großen Abenteuern zu erzählen? *g* Dann seid ihr wirklich bessere Menschen als ich. Aber ein paar Argumente habe ich noch.

4. Herausforderungen machen Spaß
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Gerade da dankbare Caches (A) uns so wenig abverlangen, können sie ziemlich demotivierend wirken: "Mensch, super, du hast das leuchtende, Musik spielende Scheunentor direkt am Parkplatz gefunden, was eine Meisterleistung! Nimm dir eine vorgedruckte Teilnehmerurkunde mit und trage deinen Namen ein. Falls du das 10-Minuten-Video, an dessen Ende der Zugangscode eingeblendet wurde, verpasst hast, kannst du auf der Urkunde nochmal genau nachlesen, wie durch *deinen* Fund Mittelerde gerettet wurde! Teile deinen Erfolg *jetzt* auf sozialen Netzwerken!"

Stellt dem mal das Erlebnis entgegen, als ihr einen T5-Petling, für den ihr eigentlich nicht die richtige Ausrüstung hattet, mit Kreativität und Teamarbeit trotzdem erreicht habt. Oder wie ihr das schwierige Rätsel gemeistert, euren inneren Schweinehund überwunden oder was ganz Verrücktes ausprobiert habt. Wir klettern manchmal eben auf den Berg, weil er da ist. Statt das nächste Mal 81 lieblos dahingerotzte Matrixcaches einzeln anzugehen, versucht sie doch mal alle an einem Tag zu loggen! Das wird richtig sportlich und macht auf einmal Spaß.

Klar kann gerade der Wettbewerb grundsätzlich vernünftige Menschen im Eifer des Gefechtes dazu verleiten, rücksichtslos zu handeln. Da können wir alle so manche Groteske erzählen, hier beispielsweise ein O-Ton, den ich erlebt habe: "Ok, wir fahren gerade mit dem SUV Tempo 50+ auf einem Fuß- und Reitweg im Wald zum FTF. Aber das ist in Ordnung, denn wir haben auch Pferde und mit denen hätten wir ja herreiten können! Wir wollten nur gerade nicht den Aufwand betreiben." Tja, kognitive Dissonanz klingt für Dritte oft ganz schön bescheuert.

Groundspeak profitiert übrigens von diesem Wettbewerbsgedanken: mit Notifications, PMO-Caches und Challenges.

5. kreative Partizipation
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Ich erinnere mich noch sehr gut an einen Beifang-Tradi, ein Petling in einem Rohr, den wir nach kurzem Überlegen vor Ort geschickt mit einem Greifer geborgen hatten. Wir haben uns gefreut, dank Erfahrung so schnell und souverän einen D4 oder 5 Cache erreicht zu haben und schrieben das auch online auf. Der Owner pflaumte uns hingegen an, dass wir nicht einmal einfache Schritt für Schritt Anweisungen befolgen könnten, löschte unseren Logeintrag und deaktivierte den Cache. Tatsache, im Listing stand in eine Anleitung für Dumme, wie man den Petling mit Wasser herausbekommt. Umrahmt war die Anleitung von Warnungen in fetten roten Buchstaben, dass es nur so ginge und dass andere Methoden höchstens den Cache kaputt machen würden.

Als er den Cache wieder aktivierte, schrieb er, dass zum Glück am Cache trotz unsachgemäßen Hebens keine Schäden aufgetreten seien (unglaublich!), aber ... (zeter, zeter, zeter). Herrjeh. Zu seiner Verteidigung muss man anfügen, dass es genug Idioten gibt, die in blindem Hebeeifer wirklich alles kaputt kriegen. Goetzebaecker hat beispielsweise auch so einen Wassercache (https://coord.info/GC5QDEC) und mitterweile im Hint ebenfalls eine Schritt für Schritt Anleitung, allerdings mit viel Augenzwinkern und absolut lesenswert.

Jedenfalls bin ich damit mittendrin in meinem letzten Argument: uns machen gerade die Geocaches Spaß, die offen für Kreativität sind, die verschiedene Lösungswege zulassen. Ein Cache, bei dem wir wie ein Bio-Roboter einen banalen Algorithmus ausführen müssen, ist hingegen genau so demotivierend, wie Päckchenrechnen oder ein Gedicht abschreiben. Selbst wenn der Cache minutenlang eine tolle Show bietet, die wenigsten Cacher sind gekommen, um einen Film zu schauen oder einem Hörspiel zu lauschen. Nein, wir wollen selber tätig werden!

Gerade dankbare (A) Caches sind oft ziemlich linear, lassen wenig kreative Partizipation zu. Das hat viele Gründe, beispielsweise, dass dankbare Caches auch die Sorte von Gelegenheitscachern anlocken, die sich im Angesicht massiver Fremdleistungen für König Kunde halten und wie Elefanten im Porzellanladen benehmen.

Auch Owner tun sich meines Erachtens keinen Gefallen, wenn sie beim Legen eines Caches aufgrund falscher Erwartungen eine Qualitäts-Checkliste abarbeiten. Zum Beispiel ist Elektronik zu verbauen kein Selbstzweck. Wenn es für euch mehr Mühe als Freude ist, lasst es doch einfach.

6. Die einfachen Dinge genießen
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Übrigens sind gerade die Menschen besonders glücklich, die im Alltag schöne Kleinigkeiten entdecken: eine Ameisenstraße, die Brise im Haar oder das kalte Bier (eure Präferenzen mögen abweichen *g*). Oft macht es gerade beim Geocachen Spaß, sich vom ganzen Trubel zu verabschieden und einfach mal einen abgelegenen Tradi anzugehen. Auch Ownern kann es richtig gut tun, sich beispielsweise mit einem Alt-Account mal vom ganzen Erwartungsdruck zu lösen und nur auf das zu konzentrieren, was ihnen Spaß macht, ihnen selbst wichtig ist. Das hat z.B. auch der Youtuber Rezo gemacht. War gar nicht so schlecht, die Idee, gar nicht so schlecht. =)

Also: wir müssen uns fremde Qualitätsansprüche, die im Netz schnell und gerne formuliert werden, überhaupt nicht zu eigen machen. Höre einfach nicht auf die, die deinen Spaß kritisieren ("You're having fun the wrong way!"), sondern cache, wie es dir gefällt!

7. Fazit
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Ich habe die Eingangsfrage natürlich ziemlich reißerisch formuliert, das war einfach witziger. Die Realität ist natürlich weitaus komplexer. Zum Beispiel führt auch kognitive Dissonanz nicht unbedingt dazu, dass uns dankbare Caches weniger gefallen, als undankbare. Und wir sind trotz aller unserer Schwächen durchaus auch in der Lage, mündig, rational und selbstbestimmt zu entscheiden.

Mein persönliches Fazit lautet: Verliert den Spaß nicht aus dem Blick. Geocachen ist, was wir daraus machen. Und oft sind scheinbar einfache Caches echt schön! :)

Wie seht ihr das denn so? Habe ich einen Nerv getroffen oder ist mein Geschwätz größtenteils Käse?

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Kommentare: 3
  • #1

    Jan Ole von BetterCacher (Freitag, 21 Juni 2019 20:55)

    Super interessanter Artikel, der meiner Meinung nach ins Schwarze trifft. Mir persönlich machen die Caches am meisten Spaß, die nicht so einfach zu finden sind. Eine dazu passende Geschichte ist ein Tradi auf einem Berg, welchen ich vor ein paar Jahren im Urlaub mal angegangen bin. Es war ein DNF. Im Endeffekt ist mir der Cache aber trotzdem in Erinnerung geblieben, weil der Weg dorthin lang, anstrengend und nicht ganz ungefährlich war. Trotz eines vermeintlichen Misserfolgs hatte ich viel Spaß. Ist nicht also ehr der Weg das Ziel, als der Fund?

    Mein persönliches Highlight in meinem “Cacherleben” war aber ein Cache der beides vereinte. Der Weg war noch länger und anstrengender, aber die Qualität des Caches war große Klasse. Wenn man nach über 20km Fußmarsch am Finale ankommt, zaubert eine tolle Dose eben doch ein extra großes Lächeln ins Gesicht.

    Liebe Grüße
    Jan Ole

  • #2

    an Cach0r (Freitag, 21 Juni 2019 22:28)

    Wer einen Cache baut, der offenbar nur mit "detaillierter Anleitung" machbar ist, sollte die Komplexität seiner Caches vielleicht noch mal ein wenig überdenken.

  • #3

    Dagobert1980_GPS (Samstag, 22 Juni 2019 23:59)

    Toll geschriebener Artikel. Für mich war der schönste Cache eine ca. 20km lange Wanderung in der Eifel. Ich hab keine Ahnung mehr, wie das Final aussah. Aber die Erlebnisse und das Gesehene unterwegs werden mir ewig in Erinnerung bleiben.